Perspektive

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Die Perspektive (auch perspektivische Darstellung, Raumdarstellung) (von lateinisch perspicere: deutlich erkennen, durchschauen, wahrnehmen; von lateinisch perspectus: bewährt, deutlich gesehen, erkannt) bezeichnet Gesetze und Methoden, die dreidimensionale Wirklichkeit auf einer zweidimensionalen Fläche so abzubilden, dass die abgebildeten Objekte und Räume so erscheinen, dass ein räumlicher Eindruck entsteht.[1][2] Die Perspektive findet in den Bereichen bildende Kunst, Architektur, Bühnendekoration, darstellende Geometrie (Mathematik), Film, Fotografie, Grafik-Design, digitale Medien und Maschinenkunde ihre Anwendung.

Im engeren Sinn ist mit Perspektive die Linearperspektive gemeint, ein Teilgebiet der darstellenden Geometrie. Die Linearperspektive (Parallel- und Zentralperspektive) schließt aber nicht alle wichtigen Erscheinungen ein, die das Auge als räumlichen Tatbestand erfasst. Deshalb zählen im weiteren Sinn auch andere Arten der Raumdarstellung (wie Beleuchtungsperspektive, Luftperspektive, Verdeckung usw.) zur Perspektive.[3] Damit können Architekten, Kunstschaffende oder Technikerinnen mittels der verschiedenen Perspektivearten je nach ihren Intentionen die Wirklichkeit auf unterschiedliche Weise in einem ebenen Bild wiedergeben.

Fadengitter, Vorrichtung zum perspektivischen Zeichnen (1710)

Perspektivische Wahrnehmung im realen Raum

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Bei der visuellen Wahrnehmung des Menschen von Perspektive im realen Raum spielt der Sehwinkel eine Rolle. Näher am Auge befindliche Gegenstände werden auf der Netzhaut größer abgebildet, weiter entfernt befindliche Gegenstände kleiner (Größenperspektive). Da die messbare Größe der Gegenstände dabei gleich sein kann, spricht man auch von scheinbarer Größe. Das Wahrnehmen von Perspektive steht im Zusammenhang mit der Raumwahrnehmung.[4] Stereoskopisches Sehen, Sehen mit beiden Augen, ist für die Wahrnehmung von Perspektive nicht erforderlich, es verstärkt aber den Eindruck vom Räumlichen. Unabhängig davon, ob die ins Auge einfallenden Lichtstrahlen aus einem dreidimensionalen Raum kommen oder von einem flächigen Bild, treffen sie das Innere des Auges auf einer Fläche, der Netzhaut. Was eine Person dabei sieht, beruht auf einer Rekonstruktion durch das visuelle System, in dem ein und dasselbe Netzhautbild sowohl zweidimensional als auch dreidimensional interpretiert werden kann. Wurde eine dreidimensionale Deutung erkannt, erhält diese den Vorzug und bestimmt verstärkt die Wahrnehmung.

Höhenstaffelung. Oben bedeutet hinten.

Einfache Mittel der Raumdarstellung

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Unsere Seherfahrung zeigt, dass bei zwei gleich großen Gegenständen der entferntere höher steht, kleiner erscheint und oft durch den vorderen verdeckt wird.[5] Diese Erfahrung lässt sich in zweidimensionalen Bildern direkt umsetzen.

  1. Die Höhenstaffelung (auch Höhenunterschied, relative Höhe) ist die älteste und einfachste Perspektiveart. Objekte, die in einem Bild unten angeordnet sind, befinden sich vorne und solche, die sich weiter oben befinden, liegen hinten.
  2. Größenperspektive. Kleiner bedeutet hinten.
    Bei der Größenperspektive (auch Größenabnahme, Größenunterschied, relative Größe, Verkürzung; englisch: size difference, size perspective) werden in der Realität gleich große Linien, Figuren und Formen kleiner dargestellt, wenn sie weiter weg liegen. Das heißt, größere Objekte erscheinen näher, während kleinere weiter entfernt erscheinen. Die Wiederholung von Objekten in unterschiedlicher Entfernung – und damit auch immer kleiner werdend – steigert die Raumwahrnehmung.
  3. Verdeckung. Überschnitten bedeutet hinten.
    Auch die teilweise Verdeckung (auch Hintereinanderstaffelung, Kulissenwirkung, Superposition, Überdeckung, Überlappung, Überschneidung, Überschneidungsperspektive; englisch: overlapping) von hinteren Objekten durch vordere Objekte ist ein einfaches Tiefenmerkmal.[6] Die fehlenden Teile ergänzt unser Gehirn automatisch.

Linearperspektive

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Die Linearperspektive (auch lineare Perspektive, konstruierte Perspektive; englisch: linear perspective) ist ein Überbegriff für alle Methoden der perspektivischen Darstellung und Konstruktion von Körpern und Räumen mittels geometrisch-mathematischer Gesetze, Linien und Fluchtlinien. Sie ermöglicht es, realistische Darstellungen vor allem von rechtwinklig-kubigen Gegenständen – wie die meisten Architekturen oder Möbel – zu realisieren. Sie ist die gebräuchlichste Methode der Raumdarstellung. Zur Linearperspektive gehören die Parallel- und die Fluchtpunktperspektive.[7] Der Vorteil der Parallelperspektive liegt darin, dass Maßverhältnisse leichter ablesbar sind. Die Fluchtpunktperspektive hingegen erzeugt von Gegenständen Bilder, die mit den Netzhautbildern zwar nicht übereinstimmen, ihnen aber nahekommen.[8]

Quader in Isometrie.
Würfel in Kavalierperspektive.
Würfel in Militärperspektive.

Parallelperspektive

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Bei der Parallelperspektive (auch Axonometrie, schräge Parallelprojektion[9], Schrägbild; englisch: axonometric projection, oblique projection, parallel perspective) werden in der Realität parallele Kanten und Linien auf einer ebenen Fläche parallel abgebildet. Sehstrahlen verlaufen parallel, raumparallele Kanten werden in der Projektion ebenfalls parallel abgebildet. Es gibt keine Fluchtpunkte. Dieser Effekt ist z. B. von Architekten erwünscht, die wollen, dass die Ansichten von Häusern unabhängig vom Blickwinkel immer gleich deutlich sind.

Treffen die Sehstrahlen (Projektionsstrahlen) rechtwinklig auf die Projektionsfläche, spricht man von Orthogonalprojektion (orthogonale Parallelprojektion). Auf drei Bildebenen entstehen jeweils Ansichten des Objektes – Vorderansicht, Seitenansicht und Draufsicht – (Dreitafelprojektion). Treffen die Sehstrahlen schräg auf die Projektionsfläche, spricht man von Axonometrie beziehungsweise schräger (schiefer oder schiefwinkliger) Parallelprojektion. Wichtige Sonderfälle der Axonometrie sind Isometrie, Kavalierperspektive, Militärperspektive und Ingenieur-Axonometrie.

  1. Die Isometrie (nach DIN 5: "isometrische Axonometrie"; auch isometrische Ansicht, isometrische Normalprojektion, isometrische Perspektive; englisch: isometric perspective) gibt alle drei Seiten eines rechtwinkligen Körpers unverkürzt wieder. Diese verhalten sich zueinander wie 1:1:1, haben also einen gemeinsamen Maßstab (Isometrie). Beide in die Tiefe gehenden Linien verlaufen im Winkel von 30º zur Waagerechten und die Höhenlinien bleiben senkrecht. Diese Technik wird häufig in Architekturplänen, technischen Zeichnungen und Computerspielen verwendet, da sie keine Verzerrung aufweist und Maße direkt ablesbar sind.
  2. Bei der Kavalierperspektive (auch Aufrissaxonometrie, Frontalriss, Kabinettperspektive, Reiterperspektive; englisch: cavalier perspective, französisch: Perspective cavalière) wird der Aufriss (meist die Frontansicht, seltener eine Seitenansicht) unverzerrt dargestellt. Die Tiefenlinien werden meist um die Hälfte verkürzt, seltener unverkürzt dargestellt.[9]
  3. Bei der Militärperspektive (auch Grundrissaxonometrie, Militärprojektion; englisch: military perspective) wird der Grundriss unverzerrt aufgetragen, meist auf der Ecke stehend im Winkel von 30 und 60 Grad. Senkrechte Strecken werden maßstabsgetreu abgebildet, manchmal aber auch verkürzt.
  4. Ingenieur-Axonometrie (auch eimetrische Projektion)
Einpunktperspektive.

Fluchtpunktperspektive

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Zweipunktperspektive.

Die Fluchtpunktperspektive (auch Punktperspektive, Zentralperspektive, Zentralprojektion; englisch: vanishing-point perspective) basiert auf einem geometrischen System, bei dem parallele Linien und Raumkanten in der Ferne konvergieren und sich in einem Fluchtpunkt meistens auf dem Horizont treffen. Nach Anzahl der Fluchtpunkte unterscheidet man drei Perspektivearten.

  1. Bei der Einpunktperspektive (auch Einfluchtpunktperspektive, Frontalperspektive, Zentralperspektive [mit einem Fluchtpunkt]; englisch: one-point perspective) laufen alle, in die Tiefe gehenden Linien und Raumkanten in einem einzigen Fluchtpunkt zusammen, der meist auf dem Horizont liegt. Senkrechte und bildparallele waagerechte Linien und Raumkanten bleiben senkrecht bzw. waagerecht, das heißt die dem Betrachter zugewandten Flächen des Objektes sind bildparallel. Häufig liegen Erlebnisschwerpunkte eines Bildes im Bereich des Fluchtpunktes.[10]
  2. Dreipunktperspektive.
    Bei der Zweipunktperspektive (auch Übereckperspektive, Winkelperspektive, Zentralprojektion mit zwei Fluchtpunkten, 2-Punkt-Perspektive, Zweifluchtpunktperspektive, Zweispitzkonstruktion; englisch: two-point perspective) laufen die horizontalparallelen Linien zu zwei Fluchtpunkten, typischerweise an den Seiten des Bildes. In der Wirklichkeit senkrechte Linien bleiben senkrecht.
  3. Bei der Dreipunktperspektive (auch Dreifluchtpunktperspektive, Zentralperspektive mit drei Fluchtpunkten; englisch: three-point perspective) gibt es zusätzlich zu den zwei seitlichen Fluchtpunkten einen dritten Fluchtpunkt, der nicht auf dem Horizont liegt und in dem die in der Wirklichkeit senkrechten Linien sich treffen. Dadurch wird die Höhe und Tiefe betont.
Beleuchtungsperspektive. Kugel mit Eigenschatten (auf der Kugel selbst) und Schlagschatten (auf dem Boden).

Beleuchtungsperspektive

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Die Beleuchtungsperspektive (auch Licht und Schatten [Schattenwirkung], Licht-Schatten-Modulation, Schatten, Schattenperspektive, Schattierung; englisch: shading and lighting) hilft unserem visuellen System, durch die Darstellung von Eigenschatten und Schlagschatten, die räumliche Form eines Gegenstandes und seine Position im Raum zu erfassen. Besonders wichtig ist der Schatten bei rundplastischen Formen, da diese nicht mit Hilfe der Linearperspektive dargestellt werden können.

Texturperspektive. Das kleinere Quadratraster scheint weiter entfernt zu liegen.

Fernefaktoren beschreiben die perspektivische Darstellung eines Gegenstandes, der weit entfernt ist. Neben der Größenperspektive gehört dazu die Struktur-, die Luft- und die Farbperspektive.

  1. Größenperspektive (siehe oben)
    Luftperspektive. Entfernte Bereiche und Objekte erscheinen heller und blauer.
  2. Die Texturperspektive (auch abnehmende Detailschärfe, Texturgradient, Strukturperspektive; englisch: texture gradient, texture perspective) beschreibt den Übergang von detaillierten Texturen (Strukturen und Muster von Oberflächen) im Vordergrund zu weniger detaillierten Texturen im Hintergrund. Je größer die Entfernung, desto kleiner und dichter sind die einzelnen Elemente.[11] Das heißt mit zunehmender Entfernung lassen sich weniger Details erkennen. Diese Technik findet sich oft bei Landschaftsdarstellungen und erhöht die Tiefenwirkung.
  3. Die Luftperspektive (auch atmosphärische Perspektive, Verschleierungsperspektive; englisch: aerial perspective, atmospheric perspective) beschreibt die Methode, dass entfernte Objekte blasser und blauer dargestellt werden als nahe Objekte, um den Eindruck von Tiefe zu erzeugen.
  4. Farbperspektive. Der leuchtend-rote Kreis liegt vor der graublauen Fläche, der graublaue Kreis erscheint als Loch in der roten Wand.
    Wie die Luftperspektive nutzt die Farbperspektive (auch Farbenperspektive; englisch: color perspective) Farben, um Tiefe zu erzeugen. Warme und leuchtende Farben (wie Rot und Gelb) erscheinen näher, während kühle und getrübte Farben (wie Blau, Grün und Grau) weiter entfernt wirken.
Würfel in Front- und Eckperspektive, sowohl als Fluchtpunkt- als auch als Parallelperspektive.
Dieselbe Landschaft in Frosch-, Normal- und Vogelperspektive.

Art der Ansicht

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Weitere Arten der Perspektive unterscheiden sich nach Art der Ansicht, das heißt, aus welcher Richtung die Betrachtenden auf den Gegenstand blicken.

  1. Bei der Frontperspektive (auch Frontalperspektive; von lateinisch frons, frontis: Stirn) ist die Stirn- oder Vorderseite eines Gegenstandes zentral von vorne zu sehen. Der Gegenstand steht mit seiner Frontfläche parallel zur Bildebene – von oben, in Augenhöhe oder von unten. Die Frontalperspektive bezeichnet meist nur die Einfluchtpunktperspektive, seltener die Frontalansicht in Parallelperspektive (Kavalierperspektive).
  2. Bei der Eckperspektive (auch Übereckperspektive, Übereckstellung) ist ein Gegenstand oder ein Innenraum im Raum gedreht und die Betrachtenden schauen auf eine vordere Kante des Gegenstandes oder in die hintere Ecke eines Raumes.
  3. Bei der Normalperspektive (auch normale Perspektive; englisch: street level) sehen die Betrachtenden den Gegenstand auf Augenhöhe. Der Gegenstand steht auf gleicher Höhe wie die Betrachtenden. Der Horizont liegt im mittleren Bildbereich.
  4. Bei der Vogelperspektive (auch Aufsicht, Draufsicht, Obersicht, Vogelschau; englisch: aerial view, bird´s-eye perspective, bird´s-eye view, helicopter view) schauen die Betrachtenden schräg oder genau von oben auf den Gegenstand. Der Horizont liegt am oberen Bildrand oder oben außerhalb des Bildes. Die Vogelperspektive gibt es sowohl als Fluchtpunktperspektive als auch als Parallelperspektive (z. B. Militärperspektive).
  5. Bei der Froschperspektive (auch Untersicht; englisch: worm´s-eye perspective, worm´s-eye view) schauen die Betrachtenden von unten auf den Gegenstand. Der Horizont liegt am unteren Bildrand oder unten außerhalb des Bildes.[12]
  1. Die perspektivische Verkürzung (englisch: foreshortening) tritt bei Linien und Objekten auf, die von den Betrachtenden weg gerichtet sind. Zum Beispiel sind bei der Linearperspektive die Tiefenlinien meist perspektivisch verkürzt. Oder der Rumpf eines Pferdes, das von vorne zu sehen ist, erscheint extrem schmal.
  2. Die Schärfenperspektive bezeichnet scharfe und unscharfe Bereiche (Bildebenen) in einer Fotografie oder Malerei. Bedingt durch eine Linse (Auge oder Fotoapparat) wird nur eine bestimmte Tiefenregion scharf abgebildet. Gegenstände davor oder dahinter erscheinen unscharf. Zwar bildet auch unsere Augenlinse nur Gegenstände scharf ab, die unser Auge fixiert – ähnlich wie bei der Linse des Fotoapparates – aber die Unschärfe davor oder dahinter bemerken wir meistens nicht.
  3. Das Repoussoir ist ein oft dunkler oder rötlicher Gegenstand, Bereich oder Rahmen im Vordergrund eines Bildes. Es dient als Raumschieber und steigert die Tiefenillusion. Beispiele sind ein Baum, Mensch, Stillleben, Torbogen, Vorhang oder Zweig im Vordergrund.
  4. Bei der Fischaugenperspektive (auch Fischaugenprojektion, krummlinige Perspektive, kurvilineare Perspektive, sphärische Projektion; englisch: fisheye perspective) werden Linien gekrümmt, die nicht durch das Zentrum gehen. Zudem werden Flächen am Rand kleiner abgebildet als in der Bildmitte und der Blickwinkel erreicht 180 Grad und mehr.
  5. Bei der Panoramaperspektive (auch Panoramabild) erfolgt die Abbildung zunächst auf eine zylinderförmige Fläche, die dann in eine Ebene aufgerollt werden kann. Es gibt aber auch große Panoramen, die als Zylinder aufgestellt sind. Parallele Linien werden nur im Sonderfall parallel abgebildet. Man erreicht einen Blickwinkel von 180 Grad und mehr (bis 360 Grad).
  6. Die Reliefperspektive (auch reliefperspektivische Darstellung, Theaterperspektive) ist eine spezielle Perspektiveart, die nicht zu einer zweidimensionalen Darstellung führt. Die Reliefperspektive ist eine dreidimensionale Darstellung, bei der nur eine Dimension – meist die Tiefendimension – des dreidimensionalen Raums stark verkürzt wird. Dabei verändert sich das Aussehen der aus einem festen Augpunkt betrachteten Objekte nicht, da hinten liegende Objekte wie bei einem exakten Relief auch entsprechend verkleinert werden.

Modifikation der Wirklichkeit

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Bei einigen Perspektivearten wird das Ziel, die Realität korrekt wiederzugeben, bewusst negiert.

  1. Die Bedeutungsperspektive (Größenhierarchie, hieratische Perspektive, hierarchische Proportion; englisch: hierarchical proportion, hieratic perspective) ist keine Form der Raumdarstellung. Die Größe und Platzierung der im Bild dargestellten Personen und Gegenstände richtet sich nicht nach räumlich-geometrischen Gegebenheiten, sondern nach deren Bedeutung. Wichtige Personen wie göttliche Gestalten, Heiligenfiguren, Könige, hohe Beamte oder Helden sind größer und weiter oben dargestellt. Personen mit niederem Status wie Kinder, Sklaven oder Stifter sind kleiner und weiter unten dargestellt.
  2. Bei der verdrehten Perspektive (auch zusammengesetzte Darstellung) wird jeder Teil einer Person oder eines Gegenstandes so dargestellt, wie er am leichtesten zu erkennen ist, meist aus seinem charakteristischsten Winkel.[13] In der altägyptischen Malerei werden beispielsweise bei der menschlichen Figur Kopf, Hüfte und Beine in Profilansicht, ein Auge, Schultern und Brust von vorn dargestellt (Frontalansicht), um jeweils das Wesentliche hervorzuheben.
  3. Die umgekehrte Perspektive (auch divergente Perspektive, inverse Perspektive, Umkehrperspektive, verkehrte Perspektive; englisch: reverse perspective) ist eine Darstellungsweise, bei der die oben auf dem Bild befindlichen – am weitesten entfernten – Gegenstände größer wiedergegeben sind als die unteren, näheren.[14] Die Darstellung orientiert sich nicht am Blickwinkel der Betrachtenden, sondern am Blickwinkel der dargestellten Personen.[15]
  4. Das unmögliche Objekt (auch falsche Perspektive, polyvalente Perspektive, verfremdete Perspektive, verkehrte Perspektive) ist die zweidimensionale Darstellung eines scheinbar dreidimensionalen Gegenstandes, den es so nicht geben kann.[16]
  5. Die Multiperspektive (auch kombinierte Perspektive, multiperspektivische Darstellung, Simultaneität, Simultanperspektive; englisch: multiple perspective) zeigt Gegenstände, Personen oder Räume aus verschiedenen Blickwinkeln gleichzeitig in einem Bild. Damit wird die Dreidimensionalität und Vielansichtigkeit der Objekte verdeutlicht, und verschiedene Aspekte können umfassend dargestellt werden. Außerdem wird das Sehen mit dem Zeitlichen verbunden. Vorausgehende, augenblickliche und kommende Darstellungen sind in einem Bild zu sehen.[17]
  6. Die Anamorphose (auch Zerrbild) bezeichnet ein Bild, das so verzerrt ist, dass man es nur unter einem bestimmten Winkel oder mit Hilfe eines speziellen Spiegels oder eines Prismensystems erkennen kann.
  7. Die Flächigkeit (auch Flächenhaftigkeit, flächige Darstellung, projektiv-orthogonale Raumdarstellung, planimetrische Ansicht, unperspektivische Darstellung, Zweidimensionalität; englisch: flatness) bezeichnet die Darstellung mit nur zwei Dimensionen. Es gibt nur rechts, links, oben und unten. Bildformen sind das Streifenbild, Steilbild und deren Mischformen.[18]

Beispiele für perspektivische Darstellungen

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Die Galerie zeigt zu (fast) jeder Perspektiveart ein weiteres Beispiel.

  • Kirsti Andersen: The Geometry of an Art – The History of the mathematical theory of perspective from Alberti to Monge. Springer, 2007.
  • Michael Bischoff: Nahdistanzkonstruktion und Bildwahrnehmung. In: Klaus Sachs-Hombach, Klaus Rehkämper (Hrsg.): Bild – Bildwahrnehmung – Bildverarbeitung. Interdisziplinäre Beiträge zur Bildwissenschaft. Wiesbaden 1998, ISBN 3-8244-4303-1, S. 143–151. (2. Auflage. 2004, ISBN 3-8244-4571-9)
  • Gottfried Boehm: Studien zur Perspektivität. Philosophie und Kunst in der frühen Neuzeit. Carl Winter Universitätsverlag, Heidelberg 1969.
  • Jean-Marie Chauvet: Grotte Chauvet. Altsteinzeitliche Höhlenkunst im Tal der Ardèche. Jan Thorbecke Verlag, Sigmaringen 1995, ISBN 3-7995-9000-5.
  • Hubert Damisch: Der Ursprung der Perspektive. Aus dem Französischen von Heinz Jatho. diaphanes-Verlag, Zürich 2010, ISBN 978-3-03734-087-5.
  • Gertrud Koch (Hrsg.): Perspektive – Die Spaltung der Standpunkte. Fink Verlag, München 2010, ISBN 978-3-7705-5001-2.
  • André Leroi-Gourhan: Prähistorische Kunst. Die Ursprünge der Kunst in Europa. 3. Aufl., Verlag Herder, Freiburg i.Br. 1975, ISBN 3-451-16281-4.
  • Hermann Müller-Karpe: Handbuch der Vorgeschichte. Band I: Altsteinzeit. 2. Aufl., C.H.Beck Verlag, München 1977, ISBN 3-406-02008-9.
  • Erwin Panofsky: Die Perspektive als „symbolische Form“. Leipzig 1927.
  • Dietlinde Sand, Jürgen Sand: Workshop Zeichnen. Architektur und Perspektive. Englisch Verlag, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-8241-1389-7.
  • Friederike Wiegand: Die Kunst des Sehens. Ein Leitfaden zur Bildbetrachtung. 2. Auflage. Daedalus Verlag Joachim Herbst, Münster 2019, ISBN 978-3-89126-283-2, S. 60–65.
  • Rudolf Wiegmann: Grundzüge der Lehre von der Perspektive. Zum Gebrauch für Maler und Zeichenlehrer. Düsseldorf 1846.
Commons: Perspective – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Perspektive – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Georg Eisner: Perspektive und Visuelles System – Wege zur Wahrnehmung des Raumes. (PDF; 23,3 MB). In: Eisner-Georg.ch. 2009.
  2. Johannes Eucker (Hrsg.): Kunstlexikon: Kompaktwissen für Schüler und junge Erwachsene. Stichwort: Perspektive. Cornelsen Verlag Scriptor, Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-589-20928-3, S. 262.
  3. Ludger Alscher u. a. (Hrsg.): Lexikon der Kunst. 1. Auflage. Band 3. Stichwort: Perspektive. VEB E. A. Seemann, Buch- und Kunstverlag, Leipzig 1975, S. 795.
  4. Grundlagen der Optik. (PDF; 1,0 MB). In: univie.ac.at. S. 24.
  5. Eva Maria Kaifenheim: Aspekte der Kunst. Ein Lehr- und Arbeitsbuch zur Kunsterziehung. Verlag Martin Lurz GmbH, München 1979, ISBN 3-87501-060-4, S. 38.
  6. Leonard Korbel: Zeit und Raum im Computerspiel. Ein narratologischer Ansatz. Akademische Verlagsgemeinschaft München (AVM-Verlag), München 2009, ISBN 978-3-86924-905-6, S. 108.
  7. Monika Miller, Christiane Schmidt-Maiwald (Hrsg.): Didaktik des räumlichen Zeichnens. Uni-Taschenbücher GmbH (UTB), Bielefeld 2022, ISBN 978-3-8252-5799-6, S. 56.
  8. Willy Alexander Bärtschi: Linearperspektive. Geschichte, Konstruktionsanleitung und Erscheinungsformen in Umwelt und bildender Kunst. Perspektive I. 2. Auflage. Otto Maier Verlag, Ravensburg 1979, ISBN 3-473-61523-4, S. 8.
  9. a b @1@2Vorlage:Toter Link/www.gris.uni-tuebingen.deEbene geometrische Projektionen (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven) auf einer Internetseite der Universität Tübingen, mit weiteren Quellenangaben.
  10. Willy Alexander Bärtschi: Linearperspektive. Geschichte, Konstruktionsanleitung und Erscheinungsformen in Umwelt und bildender Kunst. Perspektive I. 2. Auflage. Otto Maier Verlag, Ravensburg 1979, ISBN 3-473-61523-4, S. 21.
  11. Gerald Bühring: Perspektive. Unsere Weltsicht in Psychologie, Philosophie und Kunst. Kapitel 4.2 Texturperspektive. WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt 2014, ISBN 978-3-534-26405-6, S. 39 und 40.
  12. Monika Miller, Christiane Schmidt-Maiwald (Hrsg.): Didaktik des räumlichen Zeichnens – gestaltungsdidaktische Forschung und Praxis. Wbv Publikation (Wilhelm Bertelsmann Verlag), Bielefeld 2022, ISBN 978-3-8252-5799-6, S. 56 und 57.
  13. Jonathan Janson: The History of Perspective. Essential Vermeer 4.0, 2024, abgerufen am 3. September 2024 (englisch).
  14. Rudolf Broby-Johansen: Kunst- und Stilfibel. Stichwort: umgekehrte Perspektive. Gondrom Verlag, München 1983, ISBN 3-8112-0347-9, S. 336.
  15. Peter Ablinger: Umgekehrte Perspektive. 18. Dezember 2020, abgerufen am 3. September 2024 (deutsch).
  16. Gerhard Kwiatkowski (Hrsg.): Schülerduden „Die Kunst“. Stichwort: Perspektive. Bibliographisches Institut, Mannheim 1983, ISBN 3-411-02200-0, S. 373.
  17. Claudia Blümle: Augenblick oder Gleichzeitigkeit. Zur Simultaneität im Bild. In: Simultaneität: Modelle der Gleichzeitigkeit in den Wissenschaften und Künsten, S. 52 (Kultur- und Medientheorie). Philipp Hubmann, Till Julian Huss (Hrsg.), 2013, abgerufen am 20. August 2024 (deutsch).
  18. Monika Miller, Christiane Schmidt-Maiwald (Hrsg.): Didaktik des räumlichen Zeichnens – gestaltungsdidaktische Forschung und Praxis. Wbv Publikation (Wilhelm Bertelsmann Verlag), Bielefeld 2022, ISBN 978-3-8252-5799-6, S. 55.